Pavol Dobsinsky
Der teuflische Knecht
Ein Märchen von einem Teufelchen, das einem armen Holzfäller sein letztes Stückchen Brot stiehlt. Als Luzifer davon erfährt, muss das kleine Teufelchen ein Jahr lang für den Holzfäller arbeiten.
Es war einmal ein kleines Holzhaus mit einer großen, grünen Tür auf einer Wiese unterhalb der Berge. Und in diesem Haus lebte eine Ziege namens Elisa mit ihren sieben Ziegenbabys.
Die Ziegenbabys, die wir Geißlein nennen wollen, waren erst wenige Wochen alt und deshalb hatten sie das Haus immer nur mit ihrer Mutter verlassen. Sie waren noch klein, aber sie tollten immer herum und machten gern Unsinn. Also beschloss Elisa, ihnen die Gefahren zu zeigen, denen sie auf der Welt begegnen könnten.
Ihre Mutter führte sie an einem plätschernden Bach vorbei an den Ort, an dem der alte Jäger lebte. Er hatte einen riesigen Garten mit vielen blühenden Obstbäumen und Johannisbeersträuchern. Die Geißlein waren von dem Ausflug begeistert, vor allem von den Johannisbeersträuchern mit jungen, frischen Blättern, die bereits Früchte trugen und ihnen sehr schmeckten.
Elisa wollte ihre kleinen Geißlein gerade zurechtweisen, weil sie die Johannisbeersträucher des Jägers aßen, als sie ganz in der Nähe ein wütendes Bellen hörten. Es war so laut, dass die Geißlein sehr erschraken. Und einen Moment später, als sie sahen, wie der Hund des Jägers aussah, wurden sie noch ängstlicher. Sein Name war Wedelschwanz. Doch das war kein besonders passender Name für so einen Hund, denn er war so groß wie ein Bär mit langem dunklem Fell. Elisa blieb jedoch ruhig, denn sie wusste, dass Wedelschwanz angebunden war und nur bis zum Apfelbaum laufen konnte. Das war weit genug von ihnen entfernt und sie waren daher in Sicherheit.
„Liebe Kinder“, sagte Elisa, „ich möchte, dass ihr euch daran erinnert, wie gefährlich es hier ist. Versprecht mir, nie hierher zu kommen!“
„Wir versprechen es, Mama! Diesen großen, schrecklichen Hund werden wir nicht vergessen“, sagte eines der Geißlein mit zitternder Stimme. „Wir werden niemals zum Haus des Jägers laufen!“
Im nahe gelegenen Wald gab es noch mehr Gefahren. Es gab nicht nur einen Bären, sondern auch ein Rudel Wölfe, die nur darauf warteten, ihnen nachzujagen. Elisa erinnerte ihre Geißlein jeden Tag daran, nicht im gefährlichen Wald herumzulaufen oder zu spielen. Denn dort gab es noch viel größere Gefahren als Wedelschwanz!
Eines Tages musste Elisa ihre Kinder jedoch allein zu Hause lassen, um auf den Markt einkaufen zu gehen. Als sie ging, erinnerte sie ihre Kinder an die Regeln.
„Ich komme bald wieder, also bleibt zu Hause, verschließt die Tür und öffnet niemandem. Ihr wisst ganz genau, dass ein Wolf in der Nähe herumschleicht“, ermahnte sie ihre Geißlein.
„Ja, Mama“, sagten sie. „Wir werden niemanden hereinlassen, artig sein und darauf warten, dass du zurückkommst. Mach dir keine Sorgen!“
Elisa gab allen einen Kuss zum Abschied, schloss die Tür und wartete darauf, das Geräusch des Schlüssels zu hören. So war sie sicher, dass ihre Ziegenbabys in Sicherheit waren, und machte sich auf den Weg.
Die wilden kleinen Geißlein aber begannen sogleich darüber zu streiten, was sie tun sollten, bis ihre Mutter wieder kam. Hinaus durften sie ja nicht, also beschlossen sie, ein wenig zu tanzen und zu singen.
Plötzlich klopfte es ruhig an der Tür und eine raue Stimme sagte: „Liebe Kinder, macht auf! Ich bin es, eure Mama. Ich habe süßen, saftigen Klee für euch.“
Die Geißlein wurden still und lauschten an der Tür, aber sie ließen sich nicht so leicht täuschen.
„Nein, wir werden die Tür nicht öffnen“, rief eines der Geißlein. „Du kannst nicht unsere Mutter sein, denn sie hat eine viel hellere Stimme. Du klingst wie ein Wolf!“
„Nein! Du bist nicht unsere Mama, du bist der große, böse Wolf!“, rief ein anderes.
Vor der Tür schlug sich der Wolf wütend mit der Pfote auf die Stirn. Er war schon so hungrig, dass er ganz vergessen hatte, seine tiefe und raue Stimme zu verändern. Kein Wunder, dass die kleinen Ziegen ihm nicht glaubten!
Er zog enttäuscht seinen Schwanz ein und kehrte in den Wald zurück. Dort übte er das Sprechen mit heller Stimme, damit die Kinder ihn das nächste Mal nicht erkannten. Er übte und übte und als er endlich glaubte, wie die Ziegenmutter zu klingen, ging er zurück zum Haus und hoffte, dass sein Plan diesmal funktionierte.
Er klopfte wieder an die grüneTür und rief mit hoher Stimme:
„Liiiebe Kiiinder, eure Mamaaa ist zu Hause! Ich habe euch frischen Kleeeh mitgebracht! Warum öffnet ihr nicht die Tür für miiich, meine süßen, appetitlichen Kinderchen?“ Der Wolf leckte schon seine Lippen und wartete.
Die Geißlein rannten zur Tür und freuten sich darauf, ihre Mutter zu Hause willkommen zu heißen. Sie war so schnell zurückgekommen und hatte ihnen sogar etwas zum Essen mitgebracht! Doch kurz bevor sie die Tür aufschlossen, sagte einer von ihnen: „Wartet, etwas stimmt nicht. Mama nennt uns doch nie appetitlich.“
„Du hast Recht“, pflichtete ihm das älteste Geißlein bei. „Das hat sie noch nie zu uns gesagt. Und außerdem ermahnte sie uns, wir sollten niemandem die Tür öffnen. Nicht einmal ihr! Sie hat ja ihre eigenen Schlüssel dabei!“
„Was ist, wenn sie ihre Schlüssel verloren hat?“, fragte das jüngste Kind. „Oder wenn sie sooo viel Klee trägt, dass sie die Tür nicht öffnen kann?“
„Nun, wir könnten die Tür nur ein kleines bisschen öffnen und wenn es nicht Mama ist, werden wir sie zuschlagen und wieder abschließen!“, schlug jemand vor.
Der Wolf trat schon ungeduldig von einer Pfote auf die andere, als er plötzlich hörte, wie sich die Tür öffnete. Eines der Geißlein lugte durch einen kleinen Spalt, um zu sehen, wer dort stand. Da sah es den Wolf und versuchte sofort, die Tür wieder zu schließen. Doch als der Wolf das Geißlein in der Tür sah, sprang er ins Haus. Die sieben verängstigten Geißlein fingen an zu schreien und zu meckern, und liefen herum, um sich zu verstecken. Doch, das war nicht so einfach in dem kleinen Haus! Der Wolf lief ihnen hinterher, öffnete schnell seine Tasche und schob die kleinen Ziegen nacheinander hinein. Als er fünf Geißlein gefangen hatte, sah er sich um und konnte niemand mehr sehen. Er wusste nicht, dass es zwei Geißlein tatsächlich geschafft hatten, sich vor ihm zu verstecken! Zufrieden ging der Wolf mit seiner Tasche voller kleiner Ziegen nach Hause in den Wald.
Kurz nachdem er im Wald angekommen war, kehrte Elisa nach Hause zurück. Sie fand die Tür weit offen und im Haus herrschte ein entsetzliches Durcheinander. Doch vor allem konnte sie ihre Kinder nicht finden! Sie rief besorgt nach ihnen und als die beiden verängstigten Geißlein sie hörten, kamen sie aus ihrem Versteck hervor und erzählten ihr alles.
Elisa rannte so schnell sie konnte in den Wald, um ihre Kinder zu retten. Es dauerte nicht lange, bis sie den Wolf einholte. Er war müde und hatte keine Lust, die schwere Tasche den ganzen Weg durch den Wald zu schleppen, also hatte er gleich am ersten Baum angehalten und die Tasche abgestellt.
Elisa stürmte auf den müden Wolf zu und trat ihn so heftig mit ihren Hufen, dass er für immer seinen Appetit auf Ziegenfleisch verlor. Er nutzte seine letzte Kraft, um wegzulaufen und Elisa konnte ihre Kinder aus der Tasche befreien, umarmte und küsste sie und führte sie dann zurück nach Hause.
So waren sie endlich wieder vereint. Und von diesem Tag an öffneten die kleinen Geißlein wirklich nie wieder die Tür.