Pavol Dobsinsky
Die Ziege und der Igel
Bekanntes Märchen für die Kleinsten aus der Sammlung von Pavol Dobšinský. Geschichte über eine Ziege, die sogar starke und furchtlose Tiere erschrecken kann, die dann am Ende ein kleiner, mutiger Igel besiegt.
Es waren einmal drei Schweinchen: Dip, Tip und Pip. Dip war der Älteste und Erfahrenste der drei Schweinchen. Weil er der Älteste war, hatten seine Eltern ihm beigebracht, auf seine jüngeren Brüder aufzupassen. Diese aber waren immer völlig unbekümmert und spielten ausgelassen auf der Wiese. Dip spielte auch gerne, das ist klar. Aber manchmal musste er eben auch ein paar Erwachsenen-Dinge machen.
Dip hatte einen schwarzen Fleck um sein linkes Auge und seine jüngeren Brüder Tip und Pip neckten ihn manchmal deswegen. Zum Beispiel fragten sie ihn, ob er vergessen hätte, sich zu waschen, weil sein Auge dreckig aussah. Dip ärgerte das sehr, weil er sich immer sehr gründlich wusch, damit er ein gutes Vorbild für seine jüngeren Brüder sein konnte.
Dip war außerdem auch sehr klug und gab seinen Brüdern gerne Lektionen. Tip und Pip mochten die Lektionen ihres Bruders aber gar nicht, daher fingen sie immer an zu kichern und zeigten auf Dips Fleck, wenn sie keine Lust mehr hatten, zuzuhören. Das führte dann normalerweise zu einer wilden Verfolgungsjagd, die Tip und Pip viel mehr Spaß machte. Denn sie waren schneller. Dip war nämlich nicht nur älter, sondern auch schwerer und wenn er sie verfolgte, hörten sie ihn laut stampfend hinter sich.
Tip, der mittlere Bruder, war ein bisschen frech und er mochte es, Pip Spiele und Kunststücke beizubringen. Er mochte keine Hausarbeit und hatte auch nicht wirklich Lust zu lernen. Daher fragte er sich oft, ob es wirklich nötig sei, erwachsen zu werden. Sogar seinem Bruder oder seinen Eltern zuzuhören, fiel ihm schwer, doch er kam so oft in Schwierigkeiten, dass er sich eben deswegen oft eine Standpauke anhören musste. Tip wusste, dass er Erwachsenen zuhören und befolgen sollte, was sie ihm sagten, aber hin und wieder erschien ihm ein neues Abenteuer einfach zu verlockend, um es zu verpassen!
Pip, der Jüngste, war Tip sehr ähnlich. Am allerliebsten sonnte er sich faul im Gras, während er sein Lieblingslied pfiff und die Wolken betrachtete. Sein Lieblingsspiel war Verstecken, aber seine Eltern hatten es ihm schon vor langer Zeit verboten. Pip lief nämlich dabei immer aus Versehen zum Wald, wo der große, hungrige Wolf lebte. Sie mussten Pip so oft vor dem großen, bösen Wolf retten, dass seine Eltern eines Tages erklärten, dass von nun an kein Verstecken mehr gespielt werden durfte.
Der Wolf war jedoch sehr klug und fand immer neue Möglichkeiten, um die kleinen Schweinchen zu jagen. In der Nacht träumte er davon, wie köstlich die Schweinchen doch wären, aber er wusste auch, dass er besonders schlau sein musste. Er hatte bereits eine Lektion vom Schäfer des Dorfes erhalten, in dem die Schweinchen wohnten. Der hat ihn nämlich ordentlich verhauen, nachdem er ein Schaf vor seiner Hütte stehlen wollte. Die klugen Schafe blieben aber alle beisammen, so nah an der Hütte des Schäfers wie es ihnen nur möglich war. Bei Gefahr blökten sie dann laut, bis der Schäfer erwachte.
Die Zeit verging, und Dip, Tip und Pip wurden schnell groß. Ihr Haus wurde langsam zu klein an für alle, also sagten ihre Eltern eines Tages, dass es Zeit war in ihre eigenen Häuser zu ziehen, so wie es Erwachsene eben taten.
„Ihr seid nun alt genug“, sagte ihr Vater. „Es ist Zeit, dass ihr eure eigenen Häuser baut.“
Der älteste, Dip, nickte zustimmend und legte los, ohne viel Zeit zu verschwenden. Er machte Pläne und bereitete alles vor, wie seine Eltern es ihn gelehrt hatten. „Du musst immer alles ordentlich und sorgsam machen!“, hatten sie ihm immer gesagt. Er entschied also, dass es das Beste wäre, sein Haus mit Steinen zu bauen. Das war zwar die schwierigste Möglichkeit und würde am längsten dauern. Aber er entschied, sein Haus auf der Wiese zu bauen und bald konnte der ganze Wald das Klappern und Klopfen hören, welches von seiner Baustelle kam.
Tip und Pip jedoch hatten keine Lust, allzu viel Arbeit mit dem Bau ihrer Häuser zu verbringen, weil sie viel lieber spielen wollten.
Tip, der mittlere Bruder, entschied also sein Haus aus Holz zu bauen. Er dachte sich, dass es genug Holz im Wald gäbe und er so nicht einmal hart daran arbeiten müsse.
Der jüngste Bruder, Pip, war noch fauler und entschied, ein kleines Haus aus Stroh zu bauen. Er wollte nichts planen oder allzu lange nachdenken. Lieber sah er den Wolken nach, die über seinem Kopf hinwegzogen. Also nahm Pip einfach ein paar trockene Zweige, die er im Wald fand und stellte sie auf. Dann nahm er ein wenig Stroh vom Boden und warf es einfach über die Äste. Er war recht stolz auf sein Haus, da es wenig Arbeit machte und schnell fertig war.
Als Tip sah, dass Pip mit seinem Haus fertig war, rief er: „Warte noch kurz, Pip! Ich muss nur noch eine Tür für mein Haus machen und dann können wir endlich spielen!“ Schnell hämmerte Tip ein paar Nägel ein, um die Tür zu befestigen. Und siehe da, sie hielt sogar! Doch sie war ziemlich krumm und quietschte jedes Mal entsetzlich, wenn man sie auf oder zu machte.
Tip und Pip gingen auf die Wiese, um zu spielen, während Dip sein Steinhaus fertig baute. Seine Brüder liefen auf die Baustelle, um ihn zu necken, und versuchten, ihn zum Mitspielen zu überreden.
„Wieso baust du ein Steinhaus?“, fragte Tip.
„Wieso spielst du nicht einfach mit uns? Du musst doch nicht so hart arbeiten!“, rief auch Pip über die Wiese.
Aber Dip ließ sich nicht ablenken! Er wusste, dass er ein schönes Haus wollte und er war bereit, hart dafür zu arbeiten.
Nach einer Weile war Dips Haus endlich fertig und er ging mit seinen Brüdern spielen. Sie hatten keine Ahnung, dass der große, böse Wolf sie dabei beobachtete. Der Wolf wagte es zwar nicht, sich wieder den Schafen zu nähern, weil er immer noch Schmerzen vom letzten Mal hatte, als der Schäfer ihn verprügelt hatte. Aber er war so hungrig und hatte sonst nichts zu fressen. Er wollte eine richtige Mahlzeit! Ihm lief das Wasser im Mund zusammen, als er die pummeligen, rosigen Schweinchen beobachtete, während sie auf der Wiese herumrannten. Und dann, plötzlich, lief der Wolf aus dem Wald, direkt auf sie zu! Die Schweinchen liefen sofort weg und versteckten sich in ihren Häusern. Pip zog sich ängstlich in seine Strohhütte zurück und schon kam der Wolf und schnupperte daran. Verärgert rief er: „Na warte nur, ich werde dich schon kriegen! Ich werde husten und prusten und dein Haus zusammenprusten!“ Pip konnte hören wie er tief Luft holte und ganz stark auf das Strohhaus blies. Das Stroh flog in alle Richtungen und nur die Äste blieben zurück.
„Haha! Nun hab ich dich! Du kannst mir nicht entkommen!“, rief der Wolf erfreut.
Pip aber wartete nicht, bis der Wolf ihn fing. Stattdessen rannte er so schnell er konnte zu Tips Haus.
„Komm schnell, beeil dich!“, rief Tip vom Eingang aus.
Pip schaffte es gerade noch, zu entkommen und schnell schlugen sie die Tür des Holzhauses zu. Der Wolf ging um das Haus herum und versuchte, einen Weg hinein zu finden. Sein Magen grummelte so laut wie ein Sturm und er begann bereits, sich die kleinen Schweinchen auf seinem Teller vorzustellen. Wieder rief er: „Na warte nur, ich werde euch schon kriegen! Ich werde husten und prusten und euer Haus zusammenprusten!“
Er holte ganz, ganz tief Luft und blies dann so stark er konnte auf das Holzhaus. Aber das Haus rührte sich nicht.
Die Schweinchen atmeten auf und riefen dem Wolf zu: „Geh weg! Du kriegst uns nicht! Dieses Haus ist fest und es wird nicht einstürzen, egal, wie stark du bläst!“
Der Wolf wollte schon aufgeben, doch dann bemerkte er, dass die Haustür krumm war. Sie hing kaum noch an den Scharnieren! Pip war sehr faul gewesen beim Einhängen der Tür und die Nägel waren nicht ordentlich eingeschlagen! Der Wolf lief mit aller Kraft gegen die Tür und bumm! Die Tür zerfiel in Stücke.
„Nun hab ich euch! Dieses Mal werdet ihr mir nicht entkommen!“, schrie der Wolf.
Pip und Tip aber liefen so schnell sie konnten zu Dips Haus.
„Hilfe, Hilfe! Rette uns!“, riefen sie. Dip beobachtete sie bereits besorgt aus dem Fenster seines Steinhauses.
„Kommt schnell, beeilt euch!“, rief er ihnen zu.
Tip und Pip schafften es in letzter Sekunde und schlugen schnell die Tür hinter sich zu. Pip verriegelte das Schloss und spähte aus dem Fenster. Der Wolf umkreiste wieder das Haus und versuchte, einen Weg hinein zu finden. Er war so hungrig, dass ihm schon schwindlig wurde. Er atmete so tief ein, wie er nur konnte, und blies dann auf das Steinhaus. Aber das Haus rührte sich nicht.
Die Schweinchen atmeten glücklich auf und riefen dem Wolf zu: „Geh weg! Dieses Mal wirst du es nicht schaffen. Dieses Haus ist fest und wird nicht einstürzen. Du kannst so fest blasen, wie du nur willst!“
Der Wolf dachte nach. Die Tür war gut festgenagelt und er sah keinen Weg, um sie zu bewegen, aber er rannte trotzdem auf sie zu und traf sie mit seiner ganzen Kraft. Bumm! „Au, au, tut das weh!“, jammerte er.
Er setzte sich traurig und mit schmerzender Schulter auf den Boden und versuchte, einen anderen Weg zu finden. Da bemerkte er den Schornstein und sah, dass dies seine Chance war. „Sie haben unmöglich den Schornstein dichtgemacht!“, dachte er. „Ich werde auf das Dach klettern und durch den Schornstein ins Haus rutschen.“
Als die Schweinchen sahen, was der Wolf tat, bekamen sie Angst. Auf den Schornstein hatten sie ja ganz vergessen!
„Was machen wir jetzt?“, jammerte Pip. „Der Wolf wird durch den Schornstein kommen und uns alle auffressen!“
Dip hatte Angst, aber hatte schnell eine gute Idee. Er legte Holz in den Kamin und machte ein Feuer. Der Wolf war bereits im Schornstein und steckte fest, als der dicke Rauch hochstieg.
„Hilfe, Hilfe!“, rief er.
Im Schornstein holperte und polterte es und plötzlich gab es einen lauten Knall wie bei einer Kanone, die abgefeuert wird. Der Wolf flog wie eine Kanonenkugel aus dem Schornstein und landete mitten in den Blaubeerbüschen im Wald. Die Schweinchen atmeten auf und lachten erleichtert.
„Nun müsst auch ihr ein festes Steinhaus bauen!“, befahl ihnen Dip mit strenger Stimme.
Und diesmal stimmten Tip und Pip ohne Widerrede zu. Es blieb schließlich immer noch genug Zeit, um zu spielen! Sie hatten gelernt, wie gefährlich schnelle und sorglose Arbeit sein konnte. Und so baten sie Dip, ihnen zu zeigen, wie man ein Haus baut. Und von da an lebten sie sicher und glücklich auf ihrer Wiese und der große, böse Wolf wurde nie wieder gesehen.