Wut (nicht nur) bei Kindern: Fünf Schritte, um damit fertigzuwerden

Wut (nicht nur) bei Kindern: Fünf Schritte, um damit fertigzuwerden

Ein dreijähriges Mädchen im Sandkasten fängt an, wütend zu schreien und zu weinen. Sein Sandkuchen ist nicht gelungen. Neben dem Mädchen steht sein Großvater. Gerade als es so aussieht, dass auch ihn die Wut übermannt, passiert etwas, womit niemand auf dem Spielplatz rechnet: Er setzt sich langsam neben das kleine Mädchen und streichelt seinen Rücken. „Heute war ein anstrengender Tag, nicht wahr? Wenn du willst, kannst du ruhig auch all deine anderen Sandkuchen zertreten, um deinem Ärger Luft zu machen. Und dann versuchen wir noch mal, einen schönen Sandkuchen zu backen, was meinst du?

Woher kommt sie nur?
In der heutigen Welt scheint niemand mehr die Wut haben zu wollen. Wir halten sie für etwas Schlechtes – und oftmals auch für etwas Verbotenes. Bestimmt haben Sie schon als kleine Kinder Folgendes gehört: Gute Kinder werden nicht wütend. Wo ist denn nur mein gehorsamer kleiner Junge? Wenn du weiter so wütend bist, lasse ich dich hier! Du bist aber hässlich, wenn du wütend bist! Wut passt uns einfach nicht ins Konzept und deshalb müssen wir sie uns selbst und vor allem den Kindern verbieten. Oder etwa nicht?

Wut ist eine der grundlegenden menschlichen Emotionen. Und wie alles, was uns umgibt und prägt, haben wir auch zu jedem unserer Gefühle eine Beziehung. Eine Beziehung, die weitgehend darauf aufbaut, was uns unsere Eltern, Verwandten und Lehrer in unserer Kindheit beigebracht haben. Freude wird von allen begrüßt, aber Wut gehört zusammen mit Traurigkeit oder Angst zu den verpönten Gefühlen. Dabei hat sie einen wirklich guten Grund. In früheren Zeiten half uns eine ordentliche Portion Wut dabei, uns gegen Feinde zu verteidigen. Menschen, die voller Wut waren, hatten plötzlich viel mehr Kraft, ihr Zuhause und ihre Lieben zu schützen. Glücklicherweise brauchen wir diese Funktion heute nicht mehr so oft, aber der Kern bleibt derselbe: Wut macht uns darauf aufmerksam, dass jemand oder etwas unsere Grenzen überschreitet, dass etwas geschieht, was uns nicht gefällt, etwas, was uns potenziell bedroht. Sie pumpt eine riesige Menge an Energie in unsere Adern, damit wir uns richtig gegen den Feind positionieren können.‍

Wohin mit ihr?
Wut ist eine ganz natürliche Reaktion auf etwas, das uns nicht gefällt. Wie bei allem anderen gilt auch hier: Was dem einen trivial erscheint, lässt für den anderen eine ganze Welt in sich zusammenfallen. Den einen macht wütend, wenn ein Lieferwagen einen Fußgängerüberweg missachtet. Ein anderer regt sich über die Abendnachrichten auf. Manch einen braucht nur jemand im Getümmel anrempeln und schon nimmt ein Konflikt seinen Lauf. Ähnliches erleben auch unsere Kinder jeden Tag. An eine Sache müssen wir Erwachsenen aber immer denken und sie auch unseren Kindern beibringen: Wut ist zwar in Ordnung, einige ihrer Ausdrucksformen allerdings nicht. Deshalb muss man Kindern erklären, wozu Wut dient, nachfragen, warum sie Wut verspüren, und zeigen, wie man damit umgehen kann.

Der Umgang mit Wut in fünf Schritten

1. Akzeptieren

Um mit Wut umgehen zu können, müssen wir sie akzeptieren. Wir müssen uns bewusstwerden, was wir fühlen, damit wir durchatmen und entscheiden können, was wir als Nächstes tun wollen. Wenn wir den Kindern beibringen wollen, ihre eigenen Gefühle zu akzeptieren, müssen wir zuerst unsere eigenen Gefühle akzeptieren. Das bedeutet, ihnen ihre Wut nicht auszureden und sie auch nicht zu überzeugen, dass sie keinen Grund haben, wütend zu sein. Ebenso sollten wir ihre Wut nicht verharmlosen, sie nicht nachahmen und auch nicht ins Lächerliche ziehen. Dem Kind ist einfach etwas zugestoßen, das die Wut in ihm ausgelöst hat. Es spielt keine Rolle, dass wir das unsinnig und die Reaktion des Kindes unangemessen finden. Wichtig ist, ihm zu zeigen, dass wir es lieben, auch wenn es gerade eine unangenehme Emotion durchlebt, und dass wir gemeinsam einen Ausweg finden. Das ist der schnellste Weg, damit das Kind lernt, selbst mit seiner Wut umzugehen.

Doch wo fängt man an, wenn uns die kindliche Wut meist selbst wütend macht?

2. Benennen
Versuchen Sie zunächst, das Geschehen aus Ihrer Sicht zu benennen. „Ich sehe, dass deine Jacke nicht zugehen will. Das ärgert dich, nicht wahr?“ Versuchen Sie, ruhig zu sprechen und nicht zu urteilen. Vor allem kleine Kinder können oft noch nicht ausdrücken, was sie bedrückt, und Ihre Beschreibung wird ihnen helfen, besser zu verstehen, was tatsächlich mit ihnen geschieht. Gleichzeitig kann das Kind Sie korrigieren, wenn es über etwas ganz anderes verärgert ist. Manchmal ist es nur eine „dumme“ Jacke, aber vielleicht hat sich die Wut auch schon den ganzen Vormittag in ihrem Kind angestaut und die Jacke hat das Fass einfach zum Überlaufen gebracht. Das passiert auch uns Erwachsenen: Wir verpassen morgens den Bus zur Arbeit, die Kaffeemaschine funktioniert nicht, ein Kollege erscheint nicht zu einer Besprechung und entschuldigt sich nicht einmal... und wenn wir dann in einem Restaurant kalte Suppe statt heißer Brühe bekommen, explodieren wir.

Doch was kann man da tun? Das Kind ist wütend, weint, stampft, hat seine Jacke auf den Boden geworfen und Sie müssen eigentlich schnell zum Bus...

3. Ruhe bewahren
Je mehr wir uns von unseren eigenen Emotionen mitreißen lassen, desto weniger können wir dem Kind helfen, seine Gefühle zu kontrollieren. Wenn Sie spüren, dass Ihre Beherrschung langsam, aber sicher zu Ende geht, atmen Sie tief durch und versuchen Sie, sie zurückzugewinnen, indem Sie Ihre Gefühle benennen. Sie brauchen Kindern nichts vorzumachen. Oft reicht es aus, wenn Sie sagen: „Ich werde langsam nervös, weil der Bus bald kommt, den wir noch erwischen müssen.“

4. Emotionen vorbeiziehen lassen
Es gibt allerdings Momente, in denen die Wut so stark ist, dass sie Vernunft überwältigt. Dann ist es einfach am besten, den Kindern die Möglichkeit zu geben, sie gefahrlos „abzulassen“. Es ist wichtig, dass sie dabei weder sich selbst noch ihrer Umgebung Schaden zufügen. Ein sicheres Ventil können das Schreien, Stampfen, Kissenboxen, Laufen, Springen oder das Zerreißen von Papier sein... Manchmal hilft es, wie ein Löwe zu brüllen. Mit größeren Kindern kann man die Wut zeichnen und dann zerreißen. Manche Kinder beruhigen sich bei der Drachenatmung, bei der sie durch die Nase einatmen und ihre ganze Wut durch den Mund ausatmen, wie ein feuerspeiender Drache. Andere ziehen es vor, sich an einen ruhigen Ort zu begeben, weit weg vom Auslöser der Wut (aber schicken Sie sie niemals zur Strafe dorthin). Es ist wichtig, die Energie freizusetzen, die der Ärger in uns erzeugt. Das Unterdrücken von Gefühlen hat früher oder später negative und meist viel schwieriger zu klärende Folgen.

Und wenn Ihr Kind auf einer belebten Straße in Wut gerät und sich nicht von der Stelle bewegen will? Das ist eine der härtesten Prüfungen des Elterndaseins, aber versuchen Sie, ihm trotzdem beizustehen und die verächtlichen Blicke und Kommentare der Passanten zu ignorieren. Vielleicht hatten auch sie nur einen schlechten Tag und haben nur unwissentlich ein Ventil für ihre aufgestaute Wut gefunden...

5. Erörtern, was passiert ist

Sobald sich die Wut gelegt hat (oder ganz verschwunden ist), ist es an der Zeit, die Situation noch einmal aufzugreifen und in Ruhe mit dem Kind zu besprechen. Rekapitulieren Sie, was passiert ist und was man daraus lernen kann. Fragen Sie:
„Warum bist du wütend?“
„Hat dich… (ergänzen) wütend gemacht?“
„Was würde dir helfen?“
„Würde es dir helfen, wenn… (machen Sie Vorschläge)?“
„Weißt du, was mir hilft, wenn ich sehr wütend bin?“


Manchmal ist es ganz offensichtlich, aber oftmals wissen Kinder nicht genau, was sie so wütend gemacht hat. Unsere Fragen helfen ihnen, sich in dieser unangenehmen Situation zurechtzufinden. Kinder wollen ihre Wut genauso wenig wie wir, und wenn wir ihnen zeigen, wie sie damit umgehen sollen, kommen sie in der Regel bei der nächsten Gelegenheit wieder darauf zurück.
Besonders bei kleineren Kindern dürfen wir auch nicht vergessen, dass die Ursache für ihre Gereiztheit und eine größere Neigung zu Wut auch unbefriedigte körperliche Bedürfnisse sein kann. Viele Kinder sind mürrisch, wenn sie hungrig oder durstig oder vielleicht krank sind oder wenn sie an einem neuen Ort oder mit neuem Spielzeug spielen und die Umweltreize einfach zu viel für sie sind. In solchen Momenten ist es besser, zunächst das Bedürfnis zu befriedigen, bei dem die Warnleuchte blinkt, und erst dann (oder sogar erst am nächsten Tag) zum Geschehenen zurückzukehren.

Kindern den Umgang mit der Wut beizubringen schafft man nicht an einem Tag. Auch nicht in einer Woche. Dabei werden auch wir Eltern auf die Probe gestellt. Denken Sie darüber nach, wie es bei Ihnen mit der Wut aussieht. Können Sie mit ihr umgehen? Und wie gehen Sie mit Wut Ihrer Kindern um?

Seien Sie geduldig und liebevoll zu Ihrem Kind und zu sich selbst. Niemand ist weise vom Himmel gefallen und schon das Bemühen darum, Dinge zum Besseren zu wenden, ist an sich ein guter Anfang. Die genannten fünf Schritte können Sie beim Umgang mit jeder Emotion nutzen. Es handelt sich um eine universelle Anleitung. Den größten Teil der Arbeit müssen Sie selbst erledigen, aber wir helfen Ihnen gerne dabei. Ob nun mit unseren Märchen und Geschichten oder zum Beispiel durch Lektüre in Sachen emotionaler Intelligenz von Kindern.

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