Laura war sechs Jahre alt und ging schon fast zwei Monate in die erste Klasse. Heute war ihr großer Tag. Zum ersten Mal wurde sie nicht von Mama aus dem Hort abgeholt, sondern von ihrer älteren Schwester Emma. Emma ging schon in die dritte Klasse, sie trug die Haustürschlüssel um den Hals und sie konnte schon die breite Straße zwischen der Schule und ihrem Zuhause überqueren. Und heute durfte Laura mit ihr mitgehen. Yippie!
Laura fühlte sich wie ein großes Mädchen. Sie durften ganz allein nach Hause gehen! Und zu Hause waren sie dann auch ganz allein, bis Papa nach Hause kam. Das war vielleicht was!
Als Emma endlich kam, war Laura vor Freude außer sich. Sie schlüpfte in ihre Schuhe, warf sich die Jacke über und schon waren sie draußen. Gemeinsam gingen sie durch die Häuser und Laura zeigte Emma, was sie im Hort gebastelt hatten. Es war ein Papiermonster mit sechs Augen, herausgestreckter Zunge und scharfen Zähnen.
„Stimmt, morgen ist ja Halloween. Freust du dich schon?“, fragte Emma.
„Oh ja! Besonders auf den Halloweenumzug“, antwortete Laura begeistert.
„Hast du keine Angst?“
„Nein. Echte Gespenster gibt es doch gar nicht!“
„Da wäre ich mir nicht zu sicher“, sagte Emma stirnrunzelnd.
„Papa sagt, dass es keine gibt“, erwiderte Laura selbstsicher.
Emma dämpfte ihre Stimme: „Aber Jana aus unserer Klasse hat eins gesehen“.
„Ein echtes Gespenst? Die spinnt ja!“
„Jana ist meine Freundin und sie spinnt nicht! Sie hat es vor einem Jahr bei ihrer Oma auf dem Dachboden gesehen. Es war so eine weiße Frau. Die ist lächelnd um sie herumgeschwebt und dann verschwunden.“
„Echt? Und warum hat die weiße Frau gelächelt, wenn sie doch ein Gespenst war?“
„Vielleicht hatte Jana Glück und es war ein gutes Gespenst“, meinte Emma und zuckte mit den Schultern.…