Tief im Ozean, wohin niemals ein Sonnenstrahl dringt, erstreckte sich auf dem Meeresgrund das Königreich des Meervolks. Es war wunderschön! Wände aus Korallen zierten buntfarbige Algen und kleine und große Fische, Seeigel, Seefeen und allerlei andere Seewesen lebten hier friedlich zusammen. Über das Meeresvolk herrschte ein König mit seiner Mutter und fünf Töchtern. Die alte Mutter half dem König seine Töchter zu erziehen, da diese ihre Mutter bereits sehr früh verloren hatten.
Es war ein gutes Leben in dem Meereskönigreich, da sich alle an die uralten Regeln hielten. Eine dieser Regeln bestimmte, dass eine Meerjungfrau oder ein Meerjungmann erst dann aus dem Meere auftauchen durften, wenn sie das fünfzehnte Lebensjahr erreicht hatten. Bis dahin mussten sie im tiefen Meer verweilen.
In diesem Jahr wurde die älteste der Königstöchter fünfzehn Jahre alt, die anderen Töchter waren jeweils ein Jahr jünger als die ältere; die Jüngste hatte also noch volle fünf Jahre vor sich, bevor sie vom Grunde des Meeres auftauchen durfte. Jede der kleinen Prinzessinnen hatte ihren eigenen Garten, in dem sie die meiste Zeit verbrachte. Die Jüngste hatte dort die Marmorstatue eines Prinzen vom Festland stehen, die ihr sehr gefiel.
Die Großmutter erzählte oft, wie schön die Menschenwelt oben sei, doch fügte sie immer auch hinzu, dass es keinen schöneren Platz geben könne als den bei ihnen, unten auf dem Meeresgrund. Hatten sie dort nicht ein wunderbares Zuhause? Doch die kleine Meerjungfrau konnte es kaum erwarten, irgendwann einmal endlich die Menschenwelt zu erblicken.
„Ach je, noch fünf lange Jahre“, seufzte sie immer, wenn die Großmutter erzählte. Die Zeit verging und jedes Jahr hörte sie ihre älteren Schwestern begeistert über das Leben an der Meeresoberfläche schwärmen. Eine von ihnen sah den wunderbaren Nachthimmel. Die andere genoss den farbigen Sonnenuntergang, die dritte erblickte grüne Bäume und hohe…